Julius Raab
Julius Raab wurde am 29. November 1891 in St. Pölten geboren. Er absolvierte das Gymnasium in St. Pölten und Seitenstetten, wo er 1911 maturierte. Anschließend studierte er an der Technischen Hochschule (heute Universität) in Wien. Nach Absolvierung des Einjährig-Freiwilligen Jahres war er während des 1. Weltkriegs als Sappeur-Offizier eingerückt, ehe er die Ausbildung zum Bauingenieur abschloss und in die elterliche Baufirma eintrat. Zugleich begann er, sich in St. Pölten für die Christlichsoziale Partei politisch zu betätigen. 1927 wurde er in den Nationalrat gewählt. Als Exponent der Christlichsozialen war er eine Zeitlang Landesführer der Heimwehr in Niederösterreich. 1934 wurde er Präsident des Gewerbebundes und Mitglied des Bundeswirtschaftsrates. Im Februar 1938 fungierte er als Bundesminister für Handel und Verkehr in der letzten Regierung Schuschnigg. Nach dem „Anschluss“ wurde er mit Berufs- und Aufenthaltsverbot in seiner niederösterreichischen Heimat belegt, jedoch nicht verhaftet. Er ging nach Wien, wo er eine neue Baufirma mitbegründete und mit seinen politischen Gesinnungsfreunden in Kontakt blieb. So stellte er 1943 Leopold Figl in seiner Baufirma an, bis dieser im Oktober 1944 neuerlich verhaftet wurde.
In der im April 1945 neu gegründeten Österreichischen Volkspartei war Raab der führende Vertreter der Wirtschaft und des Gewerbes. Als am 27. April 1945 die Provisorische Staatsregierung gebildet wurde, übernahm er die Funktion des Staatssekretärs (Ministers) für öffentliche Bauten, Übergangswirtschaft und Verkehr. Raab stand als Landesparteiobmann der Niederösterreichischen ÖVP vor und wurde erster Obmann des Wirtschaftsbundes. Er gründete die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft (heute Wirtschaftskammer Österreich) und wurde deren erster Präsident. Nach der Nationalratswahl 1945 (und seinem von den Sowjets verhinderten Wiedereintritt in die Bundesregierung) wurde er Klubobmann des ÖVP-Parlamentsklubs.
Nach den für die
ÖVP unerfreulich verlaufenen Nationalratswahlen 1953 löste er Leopold Figl als
Bundeskanzler ab. Mit seiner geschickten Politik gegenüber der Sowjetunion
errang er den Österreichischen Staatsvertrag und damit die volle Freiheit und
Souveränität für unser Land. Als Bundeskanzler bis 1961 stand er an der Wiege
des österreichischen Wirtschaftsaufschwungs nach dem Krieg. Danach bekleidete
er wiederum das Amt des Präsidenten der Bundeswirtschaftskammer. Bereits von
Krankheit gezeichnet, unterlag er bei der Bundespräsidentenwahl 1963 gegenüber
Adolf Schärf. Nur wenige Monate später, am 8. Jänner 1964, verstarb er in Wien.