In Memoriam des 120. Geburtstages von Lola Solar (1904-1989)
“A women and a movement”

Archiv des Karl von Vogelsang-Instituts

Eine historische Hommage von Univ.- Prof. Dr. Anita Ziegerhofer.
Universität Graz, Leiterin des Instituts für Rechtswissenschaftliche Grundlagen, Leiterin des Fachbereichs Rechtsgeschichte und Europäische Rechtsentwicklung, Vizepräsidentin des Karl von Vogelsang-Instituts

Der Name Lola Solar ist nicht nur mit der Frauenbewegung in Niederösterreich, bzw. in Österreich, sondern auch mit jener auf europäischer Ebene untrennbar verbunden. Sie gilt als Frau der ersten Stunde der niederösterreichischen Frauenbewegung, wirkte über Jahre als Bundesleiterin der Frauenbewegung und war die Pionierin der Europäischen Frauenunion. Vor 70 Jahren legte sie den Grundstein in Richtung „Europäische Frauenbewegung.“
Im Mai 2024 gedenken wir ihres 120. Geburtstages, ihr Geburtsmonat sollte auch Solars Sterbemonat werden, sodass wir heuer auch ihres 35. Todestages gedenken. Aus diesen Anlässen soll die Politikerin und der Mensch Lola Solar in Erinnerung gerufen werden.

In Brunn/Gebirge als Tochter eines Verwaltungsjuristen 1904 geboren, übersiedelten die Eltern 1912 nach Mödling, nicht zuletzt um ihren beiden Töchtern eine bessere Schulausbildung bieten zu können. Solar entschied sich nach Abschluss ihrer Ausbildung für die Lehrerlaufbahn und erhielt nach einigen Zwischenstationen 1933 in Göpfritz/Wild eine dauerhafte Stelle. Ihr Engagement in der Katholischen Aktion und in der „Vaterländischen Front“ wurde Lola Solar bald nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich zum Verhängnis: Am 11. April 1938 erfolgte seitens der Kreisleitung der NSDAP die Entlassung aus dem Schuldienst, allerdings wurde diese aufgrund des Lehrermangels rasch rückgängig gemacht und Lola Solar bekam in Hainburg an der Donau eine Stelle. Nach dem Krieg übernahm sie 1945 die Leitung der Hauptschule in Mödling und startete auch von hier aus ihre politische Karriere: An ihrem 41. Geburtstag (13. Mai 1945) bat man Lola Solar seitens der ÖVP, in Mödling eine Frauenbewegung zu organisieren. Dieser Bitte folgte Solar, sodass man ihren Geburtstag auch gleichzeitig als Geburtsstunde der niederösterreichischen Frauenbewegung bezeichnen kann.

Zur ersten „politischen“ Aufgabe gehörte die Mobilisierung der Frauen für die Wahl am 25. November 1945. Darüber hinaus engagierten sich die Frauen auch parteienübergreifend: Sie verteilten gemeinsam mit den Sozialdemokratinnen und Kommunistinnen Hilfsgüter, die von den Alliierten zugeteilt wurden und betreuten die Heimkehrer. Nicht nur das Organisieren, sondern das überparteiliche Netzwerken zugunsten der Frauen bildeten wesentliche Charakteristika des Politikstils von Solar. Im Zuge der Werbung für die Wahlen 1945 wurde der niederösterreichische Landesparteiobmann Julius Raab auf Lola Solar aufmerksam. Der spätere Bundeskanzler erkannte sehr rasch Solars politisches Talent und wurde bald ihr Mentor. So übertrug er ihr die Landesleitung der niederösterreichischen ÖVP-Frauen, eine Funktion, die Solar ab Herbst 1945 vier Jahre ausüben sollte.

Auf Wunsch von Julius Raab stellte sich Solar 1949 als Kandidatin für den Nationalrat zur Verfügung und zog nach der Wahl ins Hohe Haus ein. Dieses sollte sie erst 1970 verlassen. 1950 kam es in der Leitung der ÖVP-Frauenbewegung auf Bundesebene zu einer Wachablösung. Am zweiten ÖFB – Bundestag (14.-15. Oktober 1950) legte die Gründerin und erste Bundesleiterin der ÖVP-Frauenbewegung, Nadine Paunovic (1903-1981), ihre Funktion nieder. Ihr folgte Lola Solar und begründete mit diesem Schritt eine neue Ära. Dass sie die Wunschkandidatin von Julius Raab war, soll hier nur der Vollständigkeit halber Erwähnung finden. Solar stieg 1952 zu einer seiner Stellvertreterinnen als Bundesparteiobmann auf.

In ihrer Funktion als Parlamentarierin trat sie für die Gleichstellung der Frauen in der Gesellschaft und Familie ein. Sie gilt als „Wegbereiterin der Familienrechtsreform“ und fand als solche nicht nur innerhalb der Partei, sondern auch bei der Sozialdemokratin Herta Firnberg große Anerkennung. Die erste weibliche Wissenschaftsministerin Österreichs bezeichnete 1978 in ihrer Parlamentsrede die Budgetrede, die Solar 1959 im Zuge der Familienrechtsreform hielt, als eine Wende: Damit wurde die Möglichkeit einer konsensorientierten Reform in kleinen Schritten eröffnet.

Daneben trat Solar für Schule und Bildung, vor allem aber für die Schulung der Frauen im Bereich der politischen Bildung, der kulturellen Aufklärung und im Rechts- und Sozialbereich ein. Herta Haider (Bundesleiterin 1976-1984) hebt zwei wesentliche Bereiche des Wirkens von Solar hervor: Einerseits eine straffe Organisation der „Österreichischen Frauenbewegung“ (ÖFB) in allen Bundesländern: Die Bundesleiterin trat deshalb in den ersten fünf Jahren des Bestandes der ÖFB bei 500 Versammlungen im gesamten Bundesgebiet auf. Andererseits ihre internationalen, „außenpolitischen“ Aktivitäten. So erfolgte auf Solars Initiative, gemeinsam mit Frieda Mikola, die Einladung von Vertreterinnen christdemokratischer und konservativer Parteien nach Salzburg, wo im September 1953 die erste „Internationale Tagung christlich-demokratischer Frauen in Österreich“ stattfand. Mit Frauen aus Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den Niederlanden berieten die Österreicherinnen unter der Leitung von Lola Solar eine engere Zusammenarbeit im Bereich der politischen Arbeit. Intention war, die Frauen auf europäischer Ebene zu vernetzen. Bereits vom 26. April bis 27. April 1954 fand in Basel eine weitere Sitzung statt. Hier wurde nicht nur der Name „Europäische Frauen-Union (EFU)“ festgelegt, sondern auch die Struktur der neuen Frauenorganisation verabschiedet und Wien zum Hauptsitz bestimmt. Auf der Gründungsversammlung im Jahr 1955 in Den Haag erfolgte schließlich die Wahl von Lola Solar zur ersten Präsidentin der EFU. Ihre Mitglieder waren führende Politikerinnen aus christlich-demokratischen und konservativen Parteien, die sich mit den geistigen und sittlichen Werten verbunden fühlten, die das Fundament der christlichen Prinzipien bildeten. Auf der Generalversammlung der EFU im Juli 1961 in London ernannte man Lola Solar in Würdigung ihrer herausragenden Verdienste um die EFU zur Ehrenpräsidentin auf Lebenszeit. Die EFU besteht noch heute und führt den Namen European Union of Women (EUW).

Solar setzte sich mit all ihrer Energie für die Gleichberechtigung von Frauen ein, sie gilt als Wegbereiterin der Familienrechtsreform, die später unter Justizminister Christian Broda erfolgen sollte. Sie forderte ein modernes Frauenbild, unterstützte Arme und Alte und war so auch oft Pionierin wie etwa als Vorsitzende des Österreichischen Wohlfahrtsdienstes (heute Österreichisches Hilfswerk), als Mitbegründerin des Österreichischen Frauenrings (gemeinsam u.a. mit Herta Firnberg) oder als Initiatorin von „Essen auf Räder“. Lola Solar war nicht nur eine großartige Rednerin und „Macherin“, sondern auch eine begnadete Netzwerkerin – nicht nur über die Parteigrenzen, sondern auch über Österreichs Grenzen hinweg. Vor 35 Jahren, genau sieben Tage nach ihrem 85. Geburtstag, am 20. Mai 1989, ist Lola Solar in Mödling gestorben.